Gefahrgut, das klingt immer ein bisschen nach Zischgeräuschen, dicken Handschuhen und großem Kino. Und ja – manchmal ist es das auch. Aber im Alltag der Logistik bedeutet Gefahrgut oft einfach: Dosen, Kartons oder Kanister mit bestimmten Inhaltsstoffen, die halt ein paar Regeln mit sich bringen. Jetzt kommt der Clou: Nicht jedes Gefahrgut muss streng nach ADR transportiert werden. Es gibt Ausnahmen – sogenannte Freistellungen. Und genau die – die Freistellungen im Gefahrgut – schauen wir uns heute an.
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Die 1000‑Punkte‑Regel – dein Joker im Gefahrgut-Alltag
Wenn man sich zum ersten Mal mit ADR beschäftigt, wirkt alles wie ein Dschungel aus Paragraphen und Spalten. Aber dann kommt plötzlich die 1000‑Punkte‑Regel um die Ecke – und bringt Licht ins Dunkel. Diese Regel erlaubt es dir, bestimmte Transporte unter vereinfachten Bedingungen durchzuführen, solange du unter einem Schwellenwert bleibst.
Wie das geht? Ganz einfach gesagt: Jedes Gefahrgut bekommt je nach Gefährlichkeit eine Punktzahl – abhängig von der Beförderungskategorie, die du in Spalte 15 des ADR-Verzeichnisses findest. Beförderungskategorie 1 ist richtig gefährlich, da bekommst du für jedes Kilo 50 Punkte auf dein „Gefahrgutkonto“. Kategorie 3 ist eher harmlos – da zählt ein Kilo einfach als ein Punkt. Wenn du die Punktzahl deiner Sendung ausrechnest und unter 1000 bleibst, kannst du auf viele Formalitäten verzichten: keine Warntafeln am Lkw, kein ADR-Schein für den Fahrer, kein Atemschutz im Führerhaus.
Aber Vorsicht: Ganz ohne Pflichten ist man auch hier nicht unterwegs. Die Grundausrüstung muss trotzdem mit – Warnweste, Feuerlöscher und natürlich die Begleitpapiere.

Limited Quantities – wenn Gefahrgut sich in Schrumpffolie hüllt
Wer regelmäßig mit Versandhandel oder Einzelhandel zu tun hat, kennt sie: kleine Pakete mit Spraydosen, Farben oder Reinigungsmitteln. Die gute Nachricht: Viele dieser Produkte fallen unter die sogenannte „begrenzt freigestellte Menge“, kurz LQ – limited quantities.
Hier spielt nicht mehr die Gesamtladung eine Rolle, sondern jedes einzelne Packstück. Voraussetzung: Die Innenverpackung darf das in Spalte 7a angegebene Maximalgewicht (oder Volumen) nicht überschreiten. Meistens liegt das bei 1 Liter oder 1 kg. Der gesamte Karton darf dann maximal 30 kg wiegen, bei Trays (also z. B. geschrumpften Einheiten wie Sixpacks) nur 20 kg.
Klingt streng – ist aber in der Praxis oft gut machbar. Und das Beste: Der ADR-Aufwand reduziert sich erheblich. Man braucht kein Gefahrgutfahrzeug, keine Warntafeln – aber: Die Pakete müssen mit dem typischen LQ-Zeichen versehen sein – ein schwarzes Quadrat auf der Spitze.
Ein kleiner Kreis mit einem „e“ – und warum er große Wirkung hat
Jetzt kommt’s noch kleiner: Die sogenannten Excepted Quantities, kurz EQ. Hier bewegen wir uns wirklich im Mini-Mengenbereich. Verpackungen mit gerade mal 10, 30 oder 50 ml Inhalt, winzige Fläschchen oder Ampullen. Das sind typische EQ-Fälle.
Die Entscheidung, ob ein Produkt unter EQ fällt, findest du in Spalte 7b des ADR-Verzeichnisses. Dort stehen Codes wie E1 bis E5 – und je nachdem, welcher Code drinsteht, darfst du unterschiedlich viel verpacken. Aber immer gilt: Das gesamte Versandstück darf nicht mehr als 1 kg oder 1 Liter wiegen. Und du darfst maximal 1000 solcher Versandstücke pro Transport befördern.
EQ‑Sendungen müssen besonders gekennzeichnet sein – mit einem roten Kreis, in dem ein kleines „e“ steht. Außenrum ist ein rot-weiß schraffierter Rand. Sieht fast harmlos aus, aber ohne dieses Symbol kann’s bei einer Kontrolle trotzdem Ärger geben.
Warum du diese Freistellungen im Gefahrgut kennen solltest
Man könnte sagen: Das ist alles nur was für den Gefahrgutbeauftragten. Stimmt aber nicht ganz. Wenn du in der Disposition, im Lager oder am Packplatz arbeitest, ist es extrem hilfreich zu wissen, welche Spielräume du hast. Vielleicht lässt sich ein Transport günstiger organisieren, vielleicht brauchst du keinen extra ADR-Fahrer – oder du kannst Kunden besser beraten.
Außerdem: Für die Prüfung ist das Thema Pflichtstoff. Spätestens wenn du mal nach der 1000‑Punkte‑Regel gefragt wirst, willst du nicht mit den Schultern zucken, sondern sauber vorrechnen können, warum die Tour noch freigestellt ist.

Wie du die Punkte berechnest – ein Beispiel mit echten Zahlen
Lass uns einmal gemeinsam durchrechnen, wie die berühmte 1000‑Punkte‑Regel im Alltag funktioniert. Stell dir vor, du hast 30 kg eines Stoffes mit Beförderungskategorie 1. Diese Kategorie hat einen Multiplikator von 50 – und zwar pro Kilogramm.
Rechnung: → 30 kg × 50 = 1500 Punkte
Ergebnis: Keine Freistellung möglich. Die 1000 Punkte sind überschritten – also ist der Transport voll ADR-pflichtig. In dem Moment brauchst du einen Fahrer mit ADR-Schein, die komplette Ausrüstung im Fahrzeug, Warntafeln usw.
Nimmst du aber einen Stoff mit Kategorie 2, bei dem der Multiplikator nur 3 beträgt, sähe das anders aus:
→ 30 kg × 3 = 90 Punkte
→ Noch massig Spielraum – du könntest also fast 333 kg dieses Stoffes transportieren, bevor die 1000 Punkte erreicht sind.
Du siehst: Die Beförderungskategorie hat enormen Einfluss. Es lohnt sich, sie immer zu kennen – denn manchmal reicht ein Wechsel des Stoffes oder der Konzentration aus, um aus einer voll ADR-pflichtigen Sendung eine freigestellte Tour zu machen.
Limited Quantities – was du noch beachten musst
Eine Freistellung nach LQ ist kein Freifahrtschein. Auch wenn viele ADR-Regeln wegfallen, bleibt die Verantwortung für sichere Verpackung und Kennzeichnung bestehen. Und genau da passieren im Alltag die häufigsten Fehler. Da wird mal die Innenverpackung überladen, mal die Außeneinheit zu schwer gemacht – und schwupps ist die Freistellung futsch.
Was du dir merken solltest:
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Das Limit aus Spalte 7a darf pro Innenverpackung nicht überschritten werden.
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Das Gesamtgewicht des Pakets ist streng begrenzt auf 30 kg, Trays nur 20 kg.
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Die Kennzeichnung ist Pflicht – ohne das LQ-Zeichen geht’s nicht.
Ganz wichtig: Alle Gewichtsangaben beziehen sich immer auf das Netto-Gewicht des Stoffs, nicht das Bruttogewicht. Wenn du also ein Kanister mit Farbe hast, zählt nur die Flüssigkeit – nicht die Verpackung drumherum.
EQ – die Ausnahme für winzige Mengen
Die „Excepted Quantities“ sind für viele so etwas wie der Geheimtipp unter den Freistellungen. Warum? Weil sie extrem wenige Anforderungen haben – aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen anwendbar sind.
Typische EQ-Sendungen:
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Probenversand durch Labore
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Versand von Aromastoffen oder Medikamenten in Kleinstmengen
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Beilagen zu Geräten oder Startersets
Das Gemeine: Man muss genau wissen, was die Buchstaben E1 bis E5 bedeuten. Diese Codierungen stehen in Spalte 7b und geben an, wie viel du in die Innenverpackung füllen darfst. Ein E1 erlaubt z. B. nur 30 ml, ein E4 kann bis zu 500 ml freigeben – aber das ist stark vom Produkt abhängig.
Außerdem gilt:
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Nie mehr als 1 kg/L pro Versandstück
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Maximal 1000 EQ-Packstücke pro Transport
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Pflichtkennzeichnung mit dem EQ‑Symbol
Solche Mengen wirken vielleicht winzig – aber sie sind oft genau das, was in der Praxis gebraucht wird. Gerade im Pharma- oder Kosmetikbereich, wo mit sehr konzentrierten Stoffen gearbeitet wird, sind EQ-Transporte schnell, unkompliziert und kostengünstig.
Unterschiede LQ, EQ und 1000 Punkte – auf einen Blick
Damit du die drei Varianten schnell auseinanderhalten kannst, hilft dir diese Merkhilfe:
Regelung | Bezugsgröße | Typische Anwendung | Kennzeichnung |
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1000 Punkte | Ganze Sendung | Mischladung auf Lkw | keine Warntafel, aber Papiere |
Limited Quantities | Pro Versandstück | Einzelhandel, Online-Shop | LQ-Symbol (schwarzes Quadrat) |
Excepted Quantities | Pro Versandstück | Proben, Aromastoffe | EQ-Symbol (roter Kreis mit e) |
Wenn du die Unterschiede kennst, fällt dir nicht nur das Verstehen leichter – du kannst auch blitzschnell mitentscheiden, welche Regelung für welchen Transport Sinn ergibt.
Was die Freistellungen in der Praxis bedeuten – Beispiele, die du kennen solltest
Nehmen wir mal einen typischen Fall aus dem Versand: Ein Kunde bestellt 10 Spraydosen mit entzündbarem Inhalt. Jede Dose enthält 300 ml. Du verpackst diese in einem stabilen Karton – zusammen ergibt das ca. 3 kg netto.
Jetzt kommt die entscheidende Frage: Welche Freistellung darfst du nutzen?
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Spalte 7a erlaubt 1 L pro Innenverpackung → Check ✔
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Gesamtgewicht unter 30 kg → Check ✔
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Kennzeichnung mit LQ-Symbol vorhanden → Check ✔
Fazit: Du kannst die Lieferung als Limited Quantity verschicken – ohne Warntafel, ohne ADR-Fahrer, ohne Sondergenehmigung. Wenn du dagegen denselben Stoff in einem großen Kanister à 5 L verschicken würdest, wäre das nicht mehr LQ-fähig – obwohl die Gesamtmenge kleiner ist. Entscheidend ist also die Einzelverpackung.
Dieses Beispiel zeigt: Die Details machen den Unterschied – und genau darum lohnt es sich, das Prinzip zu verstehen, statt einfach blind zu etikettieren.

Tipp für Azubis: Prüfungsfragen rund ums Thema Freistellung
Das Thema „Freistellungen im Gefahrgut“ kommt in fast jeder Prüfung zur Sprache – sei es in schriftlichen Aufgaben oder als Teil einer komplexeren Logistik-Kalkulation. Du musst dabei nicht nur wissen, was möglich ist, sondern auch begründen können, warum eine bestimmte Freistellung greift – oder nicht.
Beispiele:
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Wann darf ein Gefahrgutfahrer ohne ADR-Schein fahren?
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Welche Mengenregelung gilt für EQ?
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Wie berechnest du die Punktzahl nach der 1000‑Punkte‑Regel?
Deshalb unser Tipp: Bereite dich gezielt vor – z. B. mit einem unserer Prüfungsvorbereitungskurse, in denen wir diese Fragen anhand echter Fälle durchgehen. So bleibst du nicht nur locker in der Prüfung – du gehst mit einem richtig guten Gefühl rein.